Paul Pörtner (1925-1984) war ein Neuerer, ein Neugieriger, ein Experimentator, jemand, der in allen Bereichen, in denen er künstlerisch tätig war, nach neuen Wegen, nach Befreiung von alten Mustern und Beschränkungen suchte. Neben der Literatur waren das Theater und die Radiokunst seine künstlerischen Domänen, in denen er sowohl als Theoretiker als auch in der praktischen Umsetzung zur Avantgarde seiner Zeit gehörte. Er versuchte zeitlebens auszuloten, welche noch unentdeckten künstlerischen Möglichkeiten in den Kunstformen, mit denen er sich beschäftigte, steckten. Für das Theater wollte er Wege finden, die verkrustete Struktur des klassischen Theaters aufzulösen. Pörtners Intention war ausgerichtet auf einen gemeinsamen künstlerischen Prozeß, an dem alle Beteiligten vom Stückeschreibe über Regisseur und Schauspieler bis zum Publikum aktiv Anteil haben. Daraus entstanden seine Mitspielstücke, dessen erfolgreichstes "Scherenschnitt" über 60 mal inszeniert wurde. Doch Pörtner wollte nicht nur die sozialen Formen des Theatres aufbrechen. Ihm ging es ebenso um die Erweiterung der künstlerischen Mittel, die auf der Bühne eingesetzt werden können. Dabei hatte er in erster Linie die menschliche Stimme und die "Sprache vor der Sprache" im Sinne. Beeinflußt war er hier von Künstlern des Vorkriegsdeutschland wie Kurt Schwitters, der in seiner Ursonate einen ganz neuen Umgang mit Sprachlauten gefunden hatte und vom französischen Club d´Essai, der in den fünfziger Jahren die Möglichkeiten der Radiokunst erforschte. Das Radio wurde dann auch für Pörtner das ideale Medium zur Umsetzung seiner Konzepte. Es war vielleicht nicht zwangsläufig, aber doch folgerichtig, daß Pörtner irgendwann auf Roy Hart stieß und im Roy Hart Theatre vieles von dem verwirklicht sah, was er unter zeitgemäßen Theater verstand. Pörtner lebte Anfang der siebziger Jahre für einige Monate in London und arbeitete intensiv mit dem Roy Hart Theatre. Zwei Ergebnisse der Zusammenarbeit sind für uns heute noch greifbar: ein Hörspiel mit dem Titel "Es gibt kein Firmament mehr" nach einem Text von Antonin Artaud, in dem Roy Hart den Part der nicht- oder vorsprachlichen Stimme übernommen hat und das Theaterstück "Ich bin", das Pörtner für das Roy Hart Theatre verfaßte. "Es gibt kein Firmament mehr" wurde für das Studio Akustische Kunst des WDR produziert und liegt dort im Archiv. Die Aufnahme eines Ausschnittes von "Ich bin" ist auf dieser CD zu hören. Sie wurde ebenfalls fürs Radio produziert und wahrscheinlich 1974 im NDR erstmals gesendet.
Ralf Peters, Malérargues 2003
Wer war Paul Pörtner?
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